Können Moore einfach wiedervernässt werden? Nachgefragt bei Dr. Hans-Gerhard Kulp, Moorexperte der Biologischen Station Osterholz e.V. in Niedersachsen
Können Moore einfach wiedervernässt werden?
Das ist komplexer als man auf den ersten Blick denkt. Es gibt drei Dinge zu beachten: Woher das Wasser kommt, rechtlichen Fragen und die technische Umsetzung.
Zunächst muss man zwischen Hochmooren und Niedermooren unterscheiden: Hochmoore sind vom Niederschlag abhängig, es muss also genug Regenwasser geben – das hängt am Klima. Sie brauchen Regenwasser, da das Wasser nährstoffarm sein muss. Zwar haben wir durch den Klimawandel mehr Niederschlag, aber durch die wärmeren Temperaturen auch mehr Verdunstung. Deshalb wissen wir nicht, ob wir in Zukunft ausreichend Wasserüberschuss aus der Atmosphäre haben, um Hochmoore nass zu halten.
Niedermoore dagegen sind vom Grundwasser und Fließgewässern abhängig. Hier kann man den Grundwasserstand anheben oder Wasser einleiten, damit in Trockenphasen genug Wasser in der Moorfläche ist. Niedermoore wieder zu vernässen ist meist etwas einfacher als Hochmoore, da man hier Wasser aus Bächen und Flüssen entnehmen kann, die es meist in der Nähe gibt.
Was ist die rechtliche Frage?
In der Regel gehört die Fläche jemandem. Wenn die Fläche der öffentlichen Hand gehört, kann man davon ausgehen, dass eine Wiedervernässung möglich ist. Meistens gehören die Flächen aber Privatleuten und werden landwirtschaftlich genutzt. Dann ist es sehr schwer, ein Einverständnis zu bekommen, denn Moorschutz beruht in Niedersachsen nach wie vor auf Freiwilligkeit. Oft wollen wir wiedervernässen, aber es gibt keine Verkaufsbereitschaft. Zum Kaufen braucht es dann auch öffentliches Geld.
Können Privatpersonen auch gezwungen werden, Moorflächen zu verkaufen?
Das ist ein ganz heißes Eisen. Keine Partei traut sich an das Thema – ein Tabu. Beim Straßenbau gibt es die Möglichkeit zu enteignen, für Moorschutz nicht. Wir haben den Vorschlag gemacht, dass die öffentliche Hand ein Vorkaufsrecht für Moorflächen bekommt. Aber bisher ist der Moorschutz vollständig freiwillig und setzt immer das Einverständnis des Eigentümers voraus. Da traut sich keine Partei ran, auch weil es viel Fläche betrifft. Während es beim Straßenbau um ein paar Hektar geht, handelt es sich beim Moorschutz um viele hunderttausend Hektar. Das würde auch viel Geld kosten.
Aber der Zeitdruck ist hoch: Innerhalb einer Generation müssen wir Treibhausgas-neutral wirtschaften. Wir müssen sehr viele Moorflächen wiedervernässen – allein auf freiwilliger Basis wird das nicht funktionieren.
Wenn man die Moorfläche erworben hat, wie kann es dann technisch gelingen, sie wiederzuvernässen?
Moore sind entstanden, weil es dauerhaft nass war, sonst hätte sich kein Torf gebildet. Der Mensch hat die Moore dann entwässert. Diese Entwässerungskanäle müssen wieder zurückgebaut werden, d.h. angestaut oder verfüllt werden. Außerdem können Verwallungen um die Flächen gebaut werden, damit das Wasser oberflächlich festgehalten wird und nicht abfließen kann.
Wir arbeiten auch mit Spundwänden aus Kunststoffelementen, um das Wasser auf der Fläche zu halten und zu verhindern, dass das Wasser seitlich raussickert. Dafür sägt man einen Schlitz in den Torfkörper und setzt dann die Spundwände ein. Es ist hässlich, mit Kunststoff zu arbeiten, aber Holz hält nicht so lange und Stahl ist zu schwer und würde absinken oder kippen.
Was kostet es, Moore wiederzuvernässen?
Das kommt sehr auf die speziellen Rahmenbedingungen vor Ort an. Ein Beispiel: Den Oberboden einer Fläche abzutragen – die eutrophierte Grasnarbe muss vor der Wiedervernässung abgetragen werden – und Verwallungen aufzubauen sowie Gräben zu verschließen, kostet über den Daumen pauschal gesagt 4.000 Euro pro Hektar. Die Kosten können aber auch weit darüber oder auch darunter liegen. Der Flächenerwerb ist hier noch nicht dabei, der liegt zwischen 0,50 € und 3 € pro Quadratmeter.
Wie schützt man Moore am besten?
Neben dem Wasserhaushalt ist der Nährstoffeintrag ein großes Problem – v.a. Stickstoff, der über die Atmosphäre, als Staub und mit dem Regenwasser herabregnet. Besonders in Hochmooren ist das zu viel für die torfbildenden Pflanzengemeinschaften. Stickstoff kommt aus Verbrennungsprozessen wie den Verbrennungsmotoren oder der Hausheizung. Da kann uns die Verkehrswende helfen, der Umstieg auf die E-Mobilität und auch die Wärmewende mit der Abschaffung von Gas-und Ölheizungen. Gülle und Mist aus der Landwirtschaft sind eine weitere Stickstoffquelle. So werden auch große Mengen Stickstoff aus der Massentierhaltung in den Niederlanden über Winde nach Niedersachsen transportiert. Helfen können hier Gehölzstreifen am Moor, die wie ein Filter wirken.